Michelwinnaden (rei) – Diakon Klaus Maier, der am 14. Juni im Alter von 76 Jahren gestorben ist, war über drei Jahrzehnte der geistliche Begleiter der Blutreitergruppe Michelwinnaden. 31 Mal – von 1982 bis 2012 – nahm er am Blutritt in Weingarten als Vorbeter der Gruppe hoch zu Ross teil. 2013 wurde Klaus Maier zum Ehrenmitglied der Blutreitergruppe Michelwinnaden-Lippertsweiler ernannt.
„Er war mit dem Blutfreitag und mit unserer Blutreitergruppe eng verbunden und als unser Geistlicher Begleiter auch bei unseren Gruppenversammlungen stets dabei, betend und die Toten ehrend”, schreibt Gruppenführer Paul Hepp im Nachruf, den die Blutreitergruppe hier in der Bildschirmzeitung veröffentlicht hat. „Am 20. Juni haben wir uns mit Standarten und Fahnen am Grab von unserem Klaus verabschiedet. Wir sind Diakon Klaus Maier zu großem Dank verpflichtet und werden ihn stets in Ehren halten.“
Als die „Huiza“ Schnee-Hauben hatten
Michelwinnadens Blutreitergruppe, gegründet nach dem Zweiten Weltkrieg, zählt zu den jüngsten derartigen Vereinigungen in Oberschwaben. Am 10. Juni 2001 hatte die Gruppe ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert. Den Festgottesdienst in der Pfarrkirche St. Johannes Evangelist zelebrierten Weihbischof Thomas Maria Renz, einst Vikar in Michelwinnaden, und Pater Martin Rieger von den Benediktinern in Weingarten. Auch Bad Waldsees Stadtpfarrer Richard Schitterer und selbstverständlich Diakon Klaus Maier, seinerzeit schon seit zwei Jahrzehnten geistlicher Begleiter der Michelwinnader Blutreiter, standen am Altar. „Durch Sein Blut haben wir die Erlösung“, schrieb der Diakon damals im Grußwort der Festschrift.
In der Michelwinnader „Burg“ war eine liebevoll gemachte Fotoausstellung zu Geschichte und Wirken der Michelwinnader Blutreiter zu besichtigen. Wenige Tage vor dem Fest besuchte Gerhard Reischmann als SZ-Redakteur die Ausstellung. Sein Bericht erschien am 9. Juni 2001 in der „Schwäbischen Zeitung“ (Ausgabe Bad Waldsee-Aulendorf). Den Artikel nahm er in sein 2007 erschienenes Buch „Menschenskinder – Notizen aus Oberschwaben“ auf (S. 187 ff.). Das Buch ist in der Stadtbücherei Bad Waldsee und in der Pfarrbücherei Aulendorf ausleihbar. Nachstehend der Text, den wir aus Anlass des Todes von Diakon Klaus Maier erneut veröffentlichen:
Noch drei Tage bis zum Fest: Karl Keller legt letzte Hand an; die Blutreiterausstellung ist so gut wie fertig. Gerade kommt noch Maria Laux, die Schwiegertochter des Gründungsgruppenführers Josef Laux, und bringt die auf Gilbpapier („Elefantenhaut“) gezogene Kopie des Gründungsprotokolls (das sorgfältig gehütete Original des Gründungsbeschlusses vom Frühjahr 1951 will man nun doch nicht an der Ausstellungswand anbringen). Auf einem Dutzend Stellwänden dokumentieren Karl Keller, Lehrer in Bad Saulgau und kein Pferdehalter („mein Gaul isch bloß geleast“), Markus Brauchle, Kassier des rührigen Vereins, Hermann Lemmle, Gruppenführer seit 1992, und andere Helfer das 50-jährige Vereinsleben. Gekommen sind auch zwei Gründungsmitglieder: Josef Laux aus Lippertsweiler und Karl Maucher vom Allgaierhof. Es habe damals, kurz nach dem Krieg, eine spürbare Aufbruchstimmung geherrscht, auch eine religiöse Aufbruchstimmung, berichtet der 79-jährige Josef Laux. „D’ Leit hond kolossal mitgmacht“, in Weingarten seien damals 80 000 Zuschauer gewesen und in der Basilika hätten Pilger sogar übernachtet. Mit 20 Pferden – die handschriftliche Teilnehmerliste ist noch vorhanden (dank Paul Schmid, dem langjährigen Schriftführer) – haben die Reiter aus Michelwinnaden und Lippertsweiler damals mitgemacht und das Problem war seinerzeit keineswegs die Beschaffung der Rösser, vielmehr mangelte es an Zaumzeug und Sätteln. Denn die Pferde waren, anders als heutzutage, allesamt Ackergäule und Pferdesport ein Luxus, den man noch nicht kannte. Eine Standarte, gefertigt von der Kunststickerei Ostermeier in Aulendorf, konnte mittels Haussammlung finanziert werden, die so reichhaltig ausgefallen war, dass noch Schärpen und Schabracken beschafft werden konnten. Die schön gedrechselte Stange der Standarte stamme vom längst nicht mehr existierenden Radfahrerverein, wissen die stolzen alten Reiter zu berichten.
Karl Maucher, der 2001 in Weingarten zum 48. Mal mitgeritten ist, zeigt auf ein Foto, auf dem eine Chaise zu sehen ist mit zwei Pferden im Geschirr (die „Lisl“ und der „Hans“): Es ist der junge Karl Maucher, wie er am Vortag des Blutfreitags nach Weingarten fährt – mit Pferd und Kutsch’, wie es damals allgemein üblich war (wenn man nicht gleich hoch zu Ross in die Welfenstadt ritt). Neben ihm auf dem fliedergeschmückten Kutschbock sitzt Hermann Sigg, der mit 80 noch aktiver Reiter ist. Karl Maucher hat in all den Jahren nur drei Blutritte versäumt: Einmal hatte er den Fuß im Gips, ein anderes Mal lag er mit einer Blutvergiftung danieder; Josef Leins, der damalige Gruppenführer, sei zu ihm gekommen und habe gefragt: „Karle, goht’s it doch?“ Beim dritten Mal – und das kam den Maucher Karl besonders bitter an – war kein Pferd aufzutreiben.
Was wissen die Gründungsblutreiter nicht alles zu berichten! Von „Schnee-Häuble“ auf den Heu-Heinzen, die beim Blutritt anno 1962 zu bestaunen waren (im Juni!), von den Quartieren bei den Familien Bleher und Berger, vom Schlafen bei den Pferden und vom Herrichten von Ross und Reiter in aller Herrgottsfrühe; von der Musikkapelle Michelwinnaden, die 50-mal mitgemacht hat, schwärmen sie, von der Fronleichnamsprozession ist die Rede und von all den großen und kleineren Dorffesten, bei denen die fein gewandete Gruppe – Frack und Zylinder, weiße Handschuhe, blaurote Schärpen – dabei war; von Reiter-Hochzeiten erzählen sie, bei denen sogar vierspännig gefahren wurde, und von der Glockenweihe im Jahre 1973, als die Blutreitergruppe die Kirchenglocken von St. Johannes mit Pferd und Wagen zum Gotteshaus zog; Pfarrer Baur sei damals arg in Sorge um die funkelnagelneuen Klangkörper gewesen und man habe eigens um gutmütige Kaltblüter geschaut, damit die Glocken garantiert unbeschadet zur Kirche kämen. Gruppenführer Leins sei mit seinem Wort dafür eingestanden, dass nichts passiert.
Vom Probereiten erzählen die alten Blutreiter, das man einst in Grünvogels Hof abgehalten habe – unter der strengen Regie von Josef Laux, der im Krieg als Offiziersanwärter bei einer bespannten Abteilung gedient hatte. Bis in die Sechzigerjahre hinein wurde das Probereiten eisern durchgeführt, bis dann die Krise kam: Die Bauern schafften Zugpferde ab und Zugmaschinen an und 1972 war dann der Tiefpunkt erreicht: Gerade mal zwölf Pferde aus Michelwinnaden, Lippertsweiler und Umgebung wurden in die Viehtransporter verladen und nach Weingarten gebracht. Heutzutage, nach dem Aufkommen des Pferdesports, leiht man sich sein Blutrittpferd kurzerhand aus, wenn man nicht gerade – wie etwa die Familie Laux – Rösser mehr oder weniger allein wegen des Blutritts hält; 2001 haben vier Laux-Söhne und zwei Enkel beim Blutritt in Weingarten mitgemacht.
Anno 1971 hätten ein paar kecke Studentlein in Weingarten ernsthaft eine Demo gegen den Blutritt erwogen, dann aber doch von ihrem Vorhaben abgelassen. „I glaub, dia hond scho a bizzle Angst ghett vor dene Gäul“, erinnert sich Karl Maucher. „Blutreiter demonstrieren für Gott“, hat die „Schwäbische Zeitung“ damals getitelt, ein Artikel, der selbstverständlich Bestandteil der Ausstellung ist.
„Hond ihr koin Pfarrer dabei?“, habe in den Fünfzigerjahren einmal ein Zuschauer der Michelwinnader Gruppe zugerufen. „Mir kennet de Rosekranz alloi“, habe damals Josef Laux „nausgeba“. Seit 20 Jahren ist Diakon Klaus Maier, ein gebürtiger Waldseer, geistlicher Begleiter der Gruppe. „Durch Sein Blut haben wir die Erlösung“, schreibt der Diakon im Grußwort. Und das zu bezeugen ist letztlich das Anliegen der Gruppe.
Vorstehender Artikel erschien in der “Schwäbischen Zeitung” (Ausgabe Bad Waldsee-Aulendorf) am 9. Juni 2001 unter dem Titel “Michelwinnadens Blutreiter feiern das 50-Jährige”. In Gerhard Reischmanns Buch “Menschenskinder – Notizen aus Oberschwaben” trägt der dort auf den Seiten 187 bis 189 abgedruckte Text den Titel “Als die ,Huiza’ Schnee-Hauben hatten”.
© Gerhard Reischmann /
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