„Die Letzten werden die Ersten sein und die Ersten werden die Letzten sein.“
Bei Gott sitzen wir nicht im Billigflieger
Liebe Gemeindemitglieder,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
liebe Gäste,
„Die Letzten werden die Ersten sein und die Ersten werden die Letzten sein“ – diese Redensart haben sie sicherlich schon des Öfteren gehört. Und vermutlich wissen Sie auch, dass sie ursprünglich aus der Bibel kommt. Wir finden sie bei den drei Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas, bei allen mit unterschiedlichen Akzentuierungen und unterschiedlichen Kontexten:
Als Petrus nach dem Lohn der Nachfolge fragte, meint Jesus, dass sich das Aufgeben von Dingen, an denen man hängt, allemal lohnt. Dann kommt: „Aber viele, die die Ersten sind, werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein.“ Nachzulesen unter Markus 10, 28-31.
Der Evangelist Matthäus lässt Jesus das Gleichnis vom „ungerechten“ Lohn der Weinbergarbeiter erzählen (das Evangelium vom kommenden Sonntag). Und auf den Einwand derer, die den ganzen Tag im Weinberg gearbeitet haben, antwortet Jesus eben auch mit dieser Redewendung: „So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“ Matthäus 20,1-16.
Und schließlich greift auch der Evangelist Lukas dieses Wort auf. Da ist Jesus auf dem Weg nach Jerusalem und er warnt vor der engen Tür des Reiches Gottes – viele werden von überall hineingehen, aber die am Nahsten sind (das Volk Israel) gehen nicht hinein: „Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.“ Lukas 13,22-30.
Mir kam die Episode in den Sinn, die mir mein Bruder auf dem Familienwochenende erzählt hat. Ein Ferienerlebnis der besonderen Art. Sie sind geflogen. Und da es bekanntlich im Billigflieger keine reservierten Sitzplätze gibt, versuchte er für sich und seine Familie einen der vorderen Plätze zu bekommen, damit sie nach der Landung wieder schnell draußen sind. Aber sie hatten Pech und bekamen nur hintere Plätze. Sein jüngster Sohn jammerte: Jetzt werden wir erst als Letzte aus dem Flieger kommen und als Letzte in der langen Taxischlange stehen und warten.
Doch es kam anders: Nach der Landung verzögerte sich der Ausstieg. Die vordere Tür klemmte. Nach einigem Hin und Her kam die Durchsage: Ausnahmsweise muss der Ausstieg über die hintere Tür erfolgen. Jetzt waren mein Bruder mit Familie die ersten und saßen zehn Minuten später in einem der begehrten Taxis.
Ja, so kann's gehen, sagt Jesus. Er beobachtet einmal bei einer Einladung, wie sich die ersten Gäste die besten Plätze sichern, dann aber auf die schlechten freien Plätze verwiesen werden, als die letzten, aber vornehmeren Gäste eintreffen. Wenn Jesus selbst diese Regel einschärft: Gilt sie dann auch für den Glauben? Gibt es - um im Bild zu bleiben – auch im Himmel erste und letzte Plätze? Und muss ich auch bei Gott aufpassen, dass ich nicht vom ersten auf den letzten Platz verdrängt werde?
Doch Gott sei Dank wählt Jesus da ein anderes Bild: Das Himmelreich ist für ihn wie ein großes Festmahl, bei dem es nicht nur einzelne geladene Gäste gibt, sondern zu dem alle gleichermaßen eingeladen sind und alle gedrängt werden, teilzunehmen.
Bei Gott sitzen wir nicht im Billigflieger, sondern alle an einem runden Tisch. Und da sind alle Letzten für immer zu Ersten geworden. Was für eine schöne Perspektive! Was für eine wunderbare Verheißung!
Pfr. Stefan Werner